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Allgemein Familien und Erbrecht

Verhältnis von Wohnvorteil und Nutzungsentgelt – Fehler vermeiden

Ist ein Beteiligter Eigentümer einer Immobilie oder steht die Immobilie im Eigentum beider Beteiligter ergeben sich vielfältige und komplizierte Wechselwirkungen. 

Hier finden Sie einige der wichtigsten Aspekte.

Bei der Prüfung und Bewertung der Auswirkungen des Immobilieneigentums bei Trennung und Scheidung sind wir Ihnen gerne behilflich und stellen frühzeitig die richtigen Weichen, um finanzielle Nachteile zu vermeiden.

Wichtig:

Nutzungsvergütung statt Wohnvorteil – Wird bei der Berechnung des Unterhalts ein Wohnvorteil berücksichtigt, kann keine Nutzungsentschädigung geltend gemacht werden. Die Nutzungsentschädigung wird dann als Wohnvorteil bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt.

  1. Wohnvorteil / Wohnwert

a)

Eine rechtliche Folge des Bestehens von Wohneigentum bei Trennung oder Scheidung ist die Berücksichtigung des sogenannten Wohnvorteils (auch Wohnwert genannt) beim Unterhalt. Zu den zur Bemessung des Unterhalts relevanten Einkünften gehören nicht nur das Erwerbseinkommen, sondern auch fiktive Einkommen wie die Vorteile des Wohnens im eigenen Heim. Der Wohnwert stellt die ersparte Miete dar. Demjenigen Beteiligten, welcher nach der Trennung das eigene Heim weiter bewohnt, wird dieser Wohnvorteil bzw. der Wohnwert der Immobilie monetärer zugerechnet.

Der Bemessung dieses fiktiven Wohnvorteils liegt regelmäßig die objektive Marktmiete zugrunde. Ist die Immobilie noch kreditbelastet wird die Darlehensrate (Zins und Tilgung) vom ermittelten Wohnvorteil in Abzug gebracht, denn ohne  den Finanzierungskredit gäbe es diesen Vorteil gar nicht.

Beispiel:

Ortsübliche Miete 10 €/m², Wohnfläche 140 m² =             1.400 € 

./. Darlehensrate 700 € verbleiben                                         700 €

Einkommen aus Erwerbstätigkeit                                       2.500 €

+ Wohnvorteil                                                                        700 €

Unterhaltsrelevantes Einkommen                                       3.200 €

b)

Besonderheit bei Ehegatten im Trennungsjahr

Die Bemessung der objektiven Marktmiete setzt das endgültige Scheitern der Ehe voraus.

Solange das obligatorische Trennungsjahr noch nicht abgelaufen und noch kein Scheidungsantrag gestellt wurde liegt diese Voraussetzungen nicht vor. Deshalb darf der obergerichtlichen Rechtsprechung zufolge solange nicht die objektiven Marktmiete, sondern lediglich ein sogenannter angemessener Wohnvorteil berücksichtigt werden.

Das Trennungsjahr stellt eine eheerhaltende Schutzvorschrift dar. Solange die Ehe noch nicht als endgültig gescheitert gilt, ist grundsätzlich nur ein eingeschränkter Wohnwert zu berücksichtigen. Damit wird bis zum endgültigen Scheitern der Ehe verhindert, dass der verbleibende Ehegatte Unterhalt auf der Grundlage eines für ihn viel zu großen Wohnraums zahlen muss (sog. aufgedrängter Wohnraum).

Höhe:

Dieser angemessene Wohnwert entspricht regelmäßig derjenigen Miete, welche der in der Immobilie verbleibende Ehegatte für eine seinen Einkommensverhältnisse entsprechende angemessene kleinere Wohnung bezahlen müsste.

c) negativer Wohnwert

Für den Fall, dass die monatliche Kreditrate den Wohnwert übersteigt, kann der negativ Betrag unterhaltsrechtlich in Abzug gebracht werden.

  • Nutzungsentgelt

Grundsatz:    Nutzungsvergütung statt Wohnvorteil

Es kann kein Nebeneinander von Nutzungsvergütung und Wohnvorteil geben.

Das heißt, wurde bei der Unterhaltsberechnung der Wohnvorteil einbezogen, kann der ausgezogene Partner oder Ehegatte keine Nutzungsvergütung verlangen.

Umgekehrt kann neben einer Nutzungsvergütung keine Berücksichtigung des Wohnvorteils beim Unterhalt erfolgen. Vielmehr würde die Nutzungsvergütung dann als Einnahme beim Unterhaltsberechtigten und als Ausgabe beim Unterhaltspflichtigen Berücksichtigung finden.

Grundsatz:    Nutzungsvergütung ist erst mit der Geltendmachung geschuldet

Keine Geltendmachung, kein Anspruch.

Nutzungsentgelt wird dem ausgezogenen Ehegatten dem Grunde und der Höhe nur nach Gesichtspunkten der Billigkeit gewährt. Dabei spielen sowohl die Einkommensverhältnisse beider Beteiligter Eigentümer sowie die Belange noch im Haushalt lebender Kinder eine Rolle. Eine pauschale Bemessung anhand der ortsüblichen Miete erfolgt also nicht.

Zu beachten ist, dass ein Nutzungsentgeltverlangen nach der Scheidung nicht mehr auf familienrechtlicher Grundlage sondern nach den allgemeinen Vorschriften des BGB zu stellen ist. Hierzu bedarf es eines sogenannten Neuregelungsverlangens die Besitz- und Nutzungsverhältnisse betreffend. Die einfache Aufforderung zur Zahlung genügt zur Anspruchsbegründung in der Regel nicht. Hier bedarf es unbedingt der juristischen Beratung.

Aus der Praxis:

Es kommt immer wieder vor, dass Gegner einem gerichtlich geltend gemachten Nutzungsentgeltanspruch mit der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen begegnen. Das ist verfahrensrechtlich ausgeschlossen und stellte eine anwaltliche Fehlberatung dar. Solche Fehler vermeiden wir.

  • Fazit

Die Wechselwirkungen sowie die rechtlichen Grundlagen beider Rechtsinstitute sind kompliziert. Um Fehler bzw. finanzielle Nachteile von Anfang an zu vermeiden, beraten wir Sie zur richtigen Weichenstellung in der Auseinandersetzung schon im Zuge der ersten Beratung.

Wir prüfen, ob es im Einzelfall wirtschaftlich günstiger ist, Wohnvorteile zu berücksichtigen, statt Nutzungsvergütung zu verlangen oder zu gewähren oder umgekehrt. Finanzielle Unterschiede sind dabei häufig immens.

Riedel
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Familienrecht

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Allgemein Arbeitsrecht

Newsletter zum Arbeitsrecht Januar 2024

  1. Auskunftsanspruch des Betriebsrates auch über Namen?


Gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG hat der Betriebsrat einen Auskunftsanspruch über die Namen der Menschen mit einer Schwerbehinderung sowie gleichgestellter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Trotz bestehendem Datenschutzkonzept und der Darlegung diese Daten zur Erfüllung der Betriebsratsaufgaben zu benötigen, verweigerte der Arbeitgeber die Herausgabe der verlangten Daten. Das Gericht verurteilte den Arbeitgeber daraufhin zur Herausgabe, vgl. Bundesarbeitsgericht vom 09.05.2023 – 1 ABR 14/22.

  1. Nacktfotos kosten Geld?

Fotos weiterleiten über die entsprechenden digitalen Dienste geht schnell. In dem Fall wurde u.a. ein Nacktfoto einer Mitarbeiterin weitergeleitet. Das Foto hatte die Kollegin zuvor aus einem Ausschnitt eines Videos,  aus einer Facebookgruppe heraus erhalten. Das Gericht entschied, dass ohne Zustimmung der betreffenden Person deren Persönlichkeitsrechte verletzt sind und verurteilte die Kollegin, die das Foto weiterleitete zu einem Schmerzensgeld in Höhe von 2.500,00€, vgl. Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 08.08.2023 – 8 Sa 332/22.

  1. Arztbesuch als Arbeitszeit?

Grundsätzlich unterfallen die Wahrnehmungen von Arztterminen dem Freizeitbereich, insbesondere gilt dies für planbare Routine- und Vorsorgetermine. Hier sah der betreffende Tarifvertrag jedoch ärztliche Termine als Arbeitszeit an. Daraufhin entschied das Gericht, dass auch die Wartezeit in der ärztlichen Praxis und die Wegezeit Arbeitszeiten auf der Grundlage des Tarifvertrages für die Metallindustrie Nordrhein-Westfalen sind, vgl. Landesarbeitsgericht Hamm vom 31.08.2023 –  15 Sa 467/23.

  1. Hat der Betriebsrat bei der Versetzung ein Vetorecht?

In diesem Fall verweigerte der Betriebsrat seine Zustimmung zu der arbeitgeberseitig geplanten Versetzung. Grund war, dass der Arbeitgeber Personalfragebögen verwendete und hier der Betriebsrat nicht beteiligt worden war. Das Gericht entschied, dass das arbeitgeberseitige Verwenden von nicht mitbestimmten Personalfragebögen allein kein Verweigerungsrund für das Zustimmungsverfahren begründet. Damit ersetzte das Gericht die fehlende Zustimmung des Betriebsrates zur Versetzung, vgl. Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 02.08.2023 –  12 TaBV 46/22.

  1. Ob im Homeoffice nicht gearbeitet wird bleibt offen?

Die Arbeitgeberseite war hier der Auffassung, dass von Arbeitnehmerseite daheim im Homeoffice nicht bzw. nicht hinreichend gearbeitet wird und machte Rückzahlungen von überzahlter Vergütung geltend. Zu Unrecht, wie das Gericht urteilte. Das Gericht führte aus, dass es der Darlegungs- und Beweislast auf Arbeitgeberseite obliegt eine mögliche ausgebliebene oder geminderte Leistung der Arbeitnehmerseite nachzuweisen, vgl. Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern vom 28.09.2023 – 5 Sa 15/23

  1. Teilzeit und Vollzeit mit anderen Lohnzuschlägen?

Dem Rechtstreit liegt ein Tarifvertrag zugrunde, nach dem Überstundenzuschläge gewährt werden, wenn Stunden erbracht werden, die über die eines in Vollzeit beschäftigten Mitarbeitenden im Kalendermonat hinausgehen. Dies erreichen in Teilzeitbeschäftigte regelmäßig nicht.

Die Frage ist, ob dies eine Diskriminierung darstellen könnte. Hintergrund ist, dass in Teilzeit ein Geschlecht überproportional mehr Anteil hat und dadurch jedenfalls eine mittelbare Diskriminierung in Betracht kommen könnte. Nach derzeitigem Stand empfiehlt der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof eine solche Diskriminierung zu bejahen, vgl. EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Athanasios Ranthos vom 16. November 2023 in den verbundenen Rechtssachen IK (C‑184/22) und CM (C-185/22) gegen KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e. V.

Fachanwalt Sven Rasehorn berät in allen arbeitsrechtlichen Fragen und vertritt in allen arbeitsgerichtlichen Instanzen mit Erfahrungen bis zum Bundesarbeitsgericht.

Focus Spezial – Deutschlands Top-Anwälte

Rechtsanwalt Sven Rasehorn zählte für die Redaktion des Magazins Focus auf Basis
einer unabhängigen Datenerhebung wiederholt zu Deutschlands Top-Privatanwälten im Arbeitsrecht!

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Allgemein Familien und Erbrecht

Wo bleibt der Hund bei einer Trennung?

In Fall einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft schafften sich eine Frau und ein Mann gemeinsam einen Hund an. Nach der Trennung wollten beide weiterhin Kontakt zum Hund. Das Gericht entschied, dass beide verlangen können zu einer Regelung zustimmen zu müssen, die den Kontakt zum Hund jeweils festlegt, vgl. Landgericht Frankenthal vom 12.5.2023 – 2 S 149/22.

Roy Riedel
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Familienrecht

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Allgemein Arbeitsrecht

Newsletter zum Arbeitsrecht Dezember 2023

  1. Urlaub in Sri Lanka auch über das Ferienende hinaus?

Hier ging es um eine Reise einer verbeamteten Lehrerin nach Sri Lanka während der Pandemiezeit. Sie hatte Rückflugangebote nicht genutzt und konnte sodann erst nach Ende der Ferien nach Deutschland zurückkehren und insoweit ihre Tätigkeit im Schuldienst nicht sicherstellen. Im Ergebnis bestätigte das Verwaltungsgericht die Entfernung aus dem Dienst, vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht vom 08.11.2023 – 14 LB 3/23. Die Entscheidung dürfte auch für das Arbeitsrecht interessant sein, da hier die juristische Sicht auf nicht bewilligte Urlaubszeit deutlich wird.

  1. Arbeitszeit bei Arbeit auf Abruf egal?

Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien eine Arbeit auf Abruf, ohne jedoch die Anzahl der Wochenarbeitszeit zu bestimmen, so gilt eine Arbeitszeit von 20 Wochenstunden als vereinbart nach § 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz. Hierauf wies das Bundesarbeitsgericht auch jüngst noch einmal in seiner Entscheidung hin, vgl. Bundesarbeitsgericht vom 18.10.2023 – 5 AZR 22/23.

  1. Handyverbot am Arbeitsplatz – mit oder ohne Mitbestimmung des Betriebsrates?

Grundsätzlich sind Arbeitgeber berechtigt die Nutzung privater Mobiltelefone am Arbeitsplatz zu untersagen. Sofern ein Betriebsrat besteht, könnte damit das verhalten und die Ordnung im Betrieb betroffen sein. Dann müsste der Betriebsrat vor einer arbeitgeberseitigen Weisung ordnungsgemäß beteiligt worden sein. Hier hatte das Gereicht jedoch dem Betriebsrat ein Mitwirkungsrecht entzogen und wies die Anweisung dem sonstigen Arbeitsverhalten zu. Damit fällt die Handynutzung nicht mehr unter die Mitbestimmung des Betriebsrates, vgl. Bundesarbeitsgericht vom 17.10.2023 – 1 ABR 24/22.

  1. Hausverbot für Betriebsrat?

Dem Betriebsratsvorsitzenden wurde eine Urkundenfälschung vorgeworfen. Daraufhin erteilte der Arbeitgeber Hausverbot. Hiergegen wendete sich der Betriebsrat / Betriebsratsvorsitzende und begehrte Zugang zum Betrieb. Das Gericht sah hier eine Behinderung der Betriebsratsarbeit nach § 78 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz und gab dem Betriebsrat Recht, vgl. Landesarbeitsgericht Hessen vom 28.08.2023 – 16 TaBVGa 97/23.

  1. Silikontuben contra Arbeitsverhältnis?

Eine gegen die Vermögensinteressen gerichtet (Straf-) Tat kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Hier hatte ein Arbeitnehmer Silikontuben mitgenommen. Das Gericht wies die gegen die Kündigung gerichtete Klage ab, vgl. Landesarbeitsgericht Thüringen vom 19.04.2023 – 4 Sa 287/21.

  1. Urlaubsverfall scheitert trotz tariflicher Ausschlussfrist an Hinweisobliegenheit?

Der Urlaub führt immer wieder zu neuen juristischen Fragestellungen. Hier ging es um den Mehrurlaub und die Frage, ob dieser nicht verfallen ist. Hintergrund waren hier tarifliche Ausschlussfristen. Dennoch hat das Bundesarbeitsgericht hier Bedenken, wenn die Arbeitgeberseite nicht ihrer Hinweisobliegenheit zum Verfall des Urlaubs nachgekommen war, vgl. Bundesarbeitsgericht vom 31.01.2023 – 9 AZR 456/20.

Fachanwalt Sven Rasehorn berät in allen arbeitsrechtlichen Fragen und vertritt in allen arbeitsgerichtlichen Instanzen mit Erfahrungen bis zum Bundesarbeitsgericht.

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Allgemein Arbeitsrecht

Newsletter zum Arbeitsrecht November 2023

  1. Umkleide- und Wegzeit als bezahlte Arbeitszeit?

Indem der Arbeitgeber das Umkleiden im Betrieb anordnet, macht er mit seiner Weisung das Umkleiden und das Zurücklegen des Wegs von der Umkleide- zur Arbeitsstelle zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung. Daher schuldet der Arbeitgeber Vergütung für die durch den Arbeitnehmer hierfür im Betrieb aufgewendete Zeit – so das Landesarbeitsgericht Nürnberg vom 06.06.2023 – 7 Sa 275/ 22.

  1. Diskriminierung auch durch fehlende Unterrichtung des Betriebsrates?

Fraglich könnte sein, was beispielsweise eine nicht für ein Bewerbungsgespräch berücksichtigte Person mit Schwerbehinderung vortragen müsste. In diesem Fall war nicht klar, ob die Arbeitgeberseite den Betriebsrat oder die Schwerbehindertenvertretung über die Bewerbung unterrichtet hatte. Dies genügte dem Gericht und verurteilte die Arbeitgeberseite zur Zahlung einer Entschädigung, vgl. Bundesarbeitsgericht vom 14.06.2023 – 8 AZR 136/22.

  1. Mutterschutz und schwankender Lohn?

Problematisch kann sich die Berechnung des Mutterschutzlohns gestalten. Grundsätzlich sind hier die letzten drei Monate zugrunde zu legen. Was aber ist, wenn die Vergütung stark schwankt? Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass in einem solchen Fall ein Zeitraum von 12 Monaten zugrunde zu legen ist, vgl. Bundesarbeitsgericht vom 31.05.2023 – 5 AZR 305/22.

  1. Hinweisobliegenheit für Urlaubsverfall auch bei Dauerkranken?

Dauerkrank und der Urlaub stellt sich in der Praxis immer wieder als unsichere Rechtslage dar. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat hierzu entschieden, dass es einer Hinweisobliegenheit von Arbeitgeberseite nicht bedarf, sofern die Arbeitnehmerseite dauerhaft krank ist. In diesem Fall erlöschen die nach 15 Monaten auch ohne Hinweis von Arbeitgeberseite über den drohenden Verfall der Urlaubsansprüche, vgl. Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 12.05.2023 – 12 Sa 1250/22

  1. Alleinerziehende Mutter contra Arbeitszeiteinteilung?

Eine alleinerziehende Mutter kann auf nahezu unlösbare Probleme stoßen, wenn die Arbeitszeiten mit den Öffnungszeiten der Kindertagesstätte kollidieren. Die Arbeitgeberseite hat bei der Einteilung alle Mitarbeitenden zu berücksichtigen. Damit besteht kein Anspruch der alleinerziehenden Mutter, dass sie ausschließlich unter Beachtung der Öffnungszeiten der Kindertagesstätte eingeteilt wird, vgl. Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern vom 13.07.2023 – 5 Sa 139/22

  1. Auflösung der Schwerbehindertenvertretung bei Absinken der Zahl?

Hier sank die Zahl der Beschäftigung von schwerbehinderten Personen unter 5, so dass die Voraussetzungen für eine Schwerbehindertenvertretung nicht mehr gegeben war. Dennoch lehnte das Gericht eine Auflösung der Schwerbehindertenvertretung ab, da das Gesetz ein vorzeitiges Erlöschen des Amtes nicht geregelt hat, vgl. Bundesarbeitsgericht vom 19.10.2022 – 7 ABR 27/21

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Allgemein Arbeitsrecht

Newsletter zum Arbeitsrecht Oktober 2023

  1. Änderung und Zuweisung zu einem anderen Team als Versetzung?

Sofern Mitarbeitende einem anderen Team bei gleichbleibenden Aufgaben zugeordnet werden, kann sich dies als Versetzung darstellen. Entscheidend kann insbesondere sein, ob sich die Weisungsstruktur („Arbeitsregime“) ändert, vgl. LAG Thüringen vom 09.05.2023 – 1 TaBV 522.

  1. Arbeitgeber darf Überstunden nicht dulden?

Hier gab es eine Betriebsvereinbarung, die eine Höchstgrenze an möglichen Überstunden regelte. Trotz dessen waren einige Mitarbeitende darüber hinaus tätig. Hier ist dann Aufgabe von Arbeitgeberseite die Einhaltung der Betriebsvereinbarung sicherzustellen. Kommt die Arbeitgeberseite dem nicht nach, so steht dem Betriebsrat ein Unterlassungsanspruch zu, vgl. LAG Hessen vom 06.03.2023 – 16 TaBV 85/22.

  1. Matrix-Betrieb führt zum Kündigungsschutz?

In diesem Fall bestand eine sog. Matrix-Organisation mit der Folge, dass teilweise nur eine Mitarbeitende Person tätig war und daher die erforderliche Beschäftigtenzahl zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes fehlen würde. Da hier jedoch konzernweit Aufgaben wahrgenommen worden sind und einzelne Bereiche nicht eigenständig waren, sondern vielmehr in die Gesamtstruktur eingebunden waren, ist mit der Aufgabe eines bereiches kein Stilllegen eines Betriebes verbunden. Folglich behält auch ein Betriebsrat (anders bei Stilllegung des Betriebes) weiter Kündigungsschutz, vgl. Niedersachsen vom 24.07.2023 – 15 Sa 906/22.

  1. Bahnfahren contra Arbeitsunfähigkeit?

Ein krankheitsbedingt arbeitsunfähiger Mitarbeiter fährt viele Stunden mit der Bahn zu seiner Familie. Steht eine so lange Bahnfahrt der Annahme der Arbeitsunfähigkeit entgegen? Das Gericht urteilte hier, dass die mehrstündige Bahnfahrt nicht annähernd mit der Belastung bei Arbeitstätigkeit vergleichbar ist. Damit war die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Beweiswert nicht erschüttert, die Arbeitgeberseite wurde verurteilt Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu leisten, vgl. LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 13.07.2023 – 5 Sa 1/23.

  1. Zeugnisberichtigung auch noch nach Jahren?

Die Arbeitgeberseite hatte nach dieser Entscheidung ein Zeugnis böswillig unrichtig erstellt und erteilt. In solchen Fällen verwirkt der Berichtigungsanspruch von Arbeitnehmerseite nicht, so dass auch nach Ablauf geraumer Zeit die Arbeitgeberseite durch Klage zur Berichtigung des Zeugnisses verurteilt werden kann, vgl. LAG Baden-Württemberg vom 31.05.2023 – 4 Sa 5422.

  1. Keine Befristung mit Kranken?

Die Arbeitgeberseite hatte Jemanden zur Vertretung einer anderen Person befristet eingestellt. Dabei war bereits klar, dass die Vertretung während der Befristungszeit selbst arbeitsunfähig bleiben wird. Auf dieser Grundlage ist die Befristung jedoch unwirksam, so dass der Vertrag als unbefristet geschlossen gilt, vgl. LAG Niedersachsen vom 11.05.2023 – 5 Sa 2723.

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Allgemein Arbeitsrecht

Newsletter zum Arbeitsrecht September 2023

  1. Äußerungen in Chatgruppe führen zur Kündigung?

Grundsätzlich unterfallen Meinungsäußerungen gegenüber wenigen Personen unter einen Vertraulichkeitsbereich. Gerade, wenn Mitarbeitende nicht erwarten können, dass getätigte Erklärungen weitergetragen werden. In diesem Fall gab es in einer kleinen geschlossenen Chatgruppe beleidigende sowie rassistische und sexistische Äußerungen in Bezug auf Vorgesetzte. Das Gericht sah hier nicht die Möglichkeit sich auf eine Vertraulichkeitserwartung berufen zu können und bestätigte die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses, vgl. BAG vom 24.08.2023 – 2 AZR 17/23.

  1. Kündigung in der Insolvenz mit Vermutung der Betriebsbedingtheit?

Hier lag dem Verfahren ein Interessenausgleich zwischen Betriebsrat und Insolvenzverwalter mit Namenliste zugrunde. Das Gericht bestätigte, dass in solchen Fällen vermutet wird, dass die Kündigungen der in der Namensliste aufgeführten Mitarbeitenden durch dringende betriebliche Erfordernisse begründet ist. Allerdings muss der Betriebsrat bei der Verhandlung noch Einfluss nehmen können, so dass die unternehmerische Entscheidung im Zeitpunkt des Interessenausgleiches noch nicht abgeschlossen sein darf, vgl. BAG vom 17.08.2023 – 6 AZR 56/23.

  1. Ohne Führerschein sperrt die Arbeitsagentur?

In diesem Fall verlor ein Lkw-Fahrer die Fahrerlaubnis, der Führerschein wurde eingezogen. Damit vermochte der Fahrer nicht mehr seiner Arbeitstätigkeit nachzukommen, er verlor das Arbeitsverhältnis. Die Arbeitsagentur wertete den Verlust der Fahrerlaubnis als grob fahrlässig in Bezug auf den Verlust des Arbeitsplatzes und sperrte den Antragsteller 12 Wochen vom Arbeitslosengeldbezug. Zu Recht, wie das Gericht entschied, vgl. LSG Baden-Württemberg vom 19.04.2023 – L 8 AL 1022/22.

  1. Schulungsanspruch für Überlastungsanzeigen?

Ein Betriebsrat war mit einer Vielzahl von Überlastungsanzeigen gegenüber der Arbeitgeberseite konfrontiert und begehrte hierzu eine Schulung. Diesen Schulungsanspruch verneinte die Arbeitgeberseite. Zu Unrecht. Das Gericht erklärte, dass bei einer Vielzahl von Überlastungsanzeigen bei einem 5-köpfigen Betriebsrat jedenfalls 2 Betriebsräte einen entsprechenden Schulungsanspruch haben, vgl. ArbG Berlin vom 01.08.2023 – 38 BV 1170/23.

  1. Zeugnis mit oder ohne Dankes und gute Wünsche-Formel?

In der Praxis ist es in Zeugnissen üblich, dass die Arbeitgeberseite am Ende des Zeugnisses das Ausscheiden der Arbeitnehmerseite bedauert und alles Gute für die Zukunft wünscht. Die Frage ist, ob auf eine solche Formulierung ein Anspruch besteht, erst recht, wenn es sich ansonsten um eine überdurchschnittliche Bewertung handelt. Das Bundesarbeitsgericht urteilte anders. Danach besteht auch bei einem Zeugnis mit leicht überdurchschnittlicher Bewertung kein Anspruch auf eine solche Schlussformel, vgl. BAG vom 25.01.2022 – 9 AZR 146/21.

  1. Vorstrafen mitteilungspflichtig an den Betriebsrat?

Hier ging es um die Zustimmungsverweigerung zur Versetzung durch den Betriebsrat. Dabei hatte die Arbeitgeberseite Vorstrafen des Mitarbeitenden dem Betriebsrat im Rahmen der Anhörung nicht mitgeteilt. Grundsätzlich dürften auch nur solche Vorstrafen von einer Mitteilungsobliegenheit erfasst sein, die einen Arbeitsplatzbezug haben und die Mitarbeitende auch in einem Bewerbungsgespräch hätten mitteilen müssen. Wenn aber die Frist zur Zustimmungsverweigerung abgelaufen und damit eine Zustimmungsfiktion eingetreten ist, kann der Betriebsrat die Versetzung gerichtlich kaum verhindern. So auch das Gericht, so dass der Betriebsrat auch im Beschwerdeverfahren unterlag, vgl. LAG Berlin-Brandenburg vom 4.5.2023 – 26 TaBV 920/22.

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Allgemein Arbeitsrecht

Newsletter zum Arbeitsrecht August 2023

  1. Hinweisgeberschutzgesetz – anonyme Meldungen muss sein?

Seit Juli 2023 gilt das Hinweisgeberschutzgesetz. Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten sind nunmehr gehalten anonymen Meldungen nachzugehen. Damit besteht eine Obliegenheit zur Aufklärung und das Verbot von Repressalien. Im Falle des Verstoßes drohen nunmehr Bußgelder.

  1. Arbeitszeitbetrug durch Pause?

Hier wurde von Arbeitnehmerseite die Eintragung der Pause in das Arbeitszeiterfassungssystem vorsätzlich unterlassen, wie das Gericht feststellte. Solche Verstöße können geeignet sein eine Kündigung und sogar auch eine fristlose Kündigung zu begründen. In diesem Fall bestätigte das Gericht die Kündigung, vgl. LAG Hamm vom 27.01.2023 – 13 Sa 1007/22

  1. Impfung macht fei – auch von der Arbeit?

Hier hatte ein Lehrer eine Datei im Netz hochgeladen. Dabei war mit dem zu erkennenden Bild eines Konzentrationslagers der Text „Impfung macht frei“ zu lesen. Hierauf kam es zur Kündigung des Lehrers. Zwar hob das Gericht die Kündigung auf, doch hat das Gericht gegen Zahlung einer Abfindung das Arbeitsverhältnis u.a. wegen erfolgter Äußerungen des Klägers im Gerichtsverfahren, aufgelöst, vgl. LAG Berlin-Brandenburg vom 15.06.2023 – 10 Sa 1143/22.

  1. Video verstößt gegen Datenschutz – Verwendung trotzdem?

Sofern es sich um eine offene Videoüberwachung handelt, besteht grundsätzlich kein Verwertungsverbot im gerichtlichen Verfahren. Das Bundesarbeitsgericht hält hieran auch für den Fall fest, wenn die Videoüberwachung datenschutzrechtliche Vorgaben nicht umfassend berücksichtigt hat, vgl. BAG vom 29.06.2023 – 2 AZR  296/22.

Damit können vorsätzlich vertragswidriges Verhalten von Arbeitnehmerseite nachgewiesen werden

  1. Öffentliche Kritik beendet Arbeitsverhältnis?

In diesem Fall hatte ein Therapeut die Behandlung von Patienten/innen mit dem strafrechtlich relevanten Maßregelvollzug vergleichen. Auf diese Kritik hin folgte die Kündigung. Diese Kritik verließ die Grenze der Meinungsfreiheit, das Gericht bestätigte die Kündigung, vgl. LAG Thüringen vom 19.04.2023 – 4 Sa 269/22.

  1. Betriebsrat und Laptop mobil?

Sofern es sich um eine offene Videoüberwachung handelt, besteht grundsätzlich kein Verwertungsverbot im gerichtlichen Verfahren. Das Bundesarbeitsgericht hält hieran auch für den Fall fest, wenn die Videoüberwachung datenschutzrechtliche Vorgaben nicht umfassend berücksichtigt hat, vgl. BAG vom 29.06.2023 – 2 AZR  296/22.

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Allgemein Arbeitsrecht

Newsletter zum Arbeitsrecht Juli 2023

  1. Arbeitgeber bezahlt Headhunter für Nichts?

Dem Fall lag zugrunde, dass der Arbeitgeber an eine Vermittlungsagentur (Headhunter) eine Provision von mehreren Tausend Euro zahlte. Der daraufhin eingestellte Arbeitnehmer musste sich gegenüber dem Arbeitgeber verpflichten, diese Provision zu erstatten, wenn er denn das Arbeitsverhältnis beendet. Es kam zur Eigenkündigung des Arbeitnehmers und der Arbeitgeber zog einen geringeren Anteil der Provision vom Gehalt des Arbeitnehmers ab. Zu Unrecht. Das Bundesarbeitsgericht hielt eine solche Verpflichtung in den AGBs, also Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Arbeitsvertrag entspricht AGB) für unzulässig, vgl. BAG vom 20.06.2023 – 1 AZR 265/22.

  1. Die Arbeitszeiterfassung-elektronisch für alle?

Seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes im September 2022 ist klar, dass die Arbeitszeiterfassung für alle Arbeitsverhältnisse bereits gilt, und zwar auch vor Einführung der neuen gesetzlichen Regelung.

Diese geplante Gesetzesregelung sieht derzeit vor, dass jeder Arbeitgeber für alle Arbeitnehmer/innen die Arbeitszeit elektronisch erfassen muss. Ausgenommen von der Pflicht zur elektronischen Erfassung bleiben Arbeitgeber, die weniger als 10 Arbeitnehmer/innen beschäftigen. Die Erfassung kann ansonsten auf die Arbeitnehmer/innen übertagen werden. Hierbei bleiben Arbeitgeber überwachungspflichtig. Verstöße können mit einem Bußgeld bis 30.000 € geahndet werden. Diese Regeln gelten auch für weiterhin mögliche Vertrauensarbeitszeiten.

  1. Bahnreise als Arbeitszeit?

Sofern Mitarbeitende eine Bahn-Lok führen ist dies Arbeitszeit. Was ist aber, wenn man nur im Zug sitzt und nur Reisezeit anfällt? Das Bundesarbeitsgericht beurteilt solche Fallgestaltungen nach der Beanspruchungstheorie. In einem Fall vor dem Verwaltungsgericht, dem auch Verspätungen, Umsteigen auf Bahnhöfen und dergleichen zugrunde lagen, befand das Gericht die Reisezeit als Arbeitszeit, vgl. VG Lüneburg vom 02.05.2023 – VG 3 A 146/22.

  1. Betriebsrat berichtet in sozialen Medien – Kündigungsgrund?

In dem Fall berichtete der Betriebsrat u.a. dahingehend, dass es „Lügen“ des Arbeitgebers gäbe und einen Komplott. Solche Darstellungen sind zwar geeignet, die Arbeitgeberseite schlecht dastehen zu lassen. Das Gericht wies jedoch darauf hin, dass diese Bewertungen nicht einzeln betrachtet werden dürften, sondern im Gesamtzusammenhang betrachtet werden müssten. Im Ergebnis erachtete das Gericht die Kündigungen der Arbeitgeberseite für rechtsunwirksam, vgl. LAG Sachsen vom 17.03.2023 – 4 Sa 78/22.

  1. Krankheit während der gesamten Kündigungsfrist – Lohnfortzahlung?

Der Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann erschüttert sein, wenn die gesamte Zeit der Kündigungsfrist zeitidentisch eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit besteht. Nachdem das Arbeitsgericht noch der Zahlungsklage der Arbeitnehmerseite stattgegeben hatte, wies das Landesarbeitsgericht das Zahlungsbegehren zurück. Das Landesarbeitsgericht sah in der Gesamtschau aller Indizien den Beweiswert der AU-Bescheinigung erschüttert. Der Arbeitnehmersite gelang es nicht das Gericht von den Voraussetzungen einer Arbeitsunfähigkeit zu überzeugen, vgl. LAG vom 02.05.2023 – 2 Sa 203/22.

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Allgemein Arbeitsrecht

Newsletter zum Arbeitsrecht Juni 2023

  1. Arbeitszeitbetrug-Kündigung ohne Abmahnung?

In diesem Fall ging es lediglich um 10 Minuten. Die Arbeitnehmerseite hatte auf Vorhalt den Vorwurf wahrheitswidrig geleugnet. In diesem Fall erachtete das Gericht eine vorherige Abmahnung als entbehrlich und bestätigte die Wirksamkeit der ausgesprochenen fristlosen Kündigung, vgl. LAG Hamm vom 27.01.2023 – 13 Sa 1007/22.

  1. Haben Männer keine flinken Frauenhände?

Absagen auf Bewerbungen können diskriminierend sein und sich als Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) darstellen. In diesem Fall wurde ein männlicher Bewerber abgelehnt mit dem Hinweis, dass die Tätigkeit eher für „flinke Frauenhände“ geeignet sei. Auf die Klage erhielt der Kläger eine Entschädigung über 2.500,00 € zugesprochen, vgl. LAG Nürnberg vom 13.12.2022 – 7 Sa 168/22.

  1. Neue Krankheit bringt neue Entgeltfortzahlung?

Schwierig wird es, wenn von Arbeitnehmerseite verschiedene Krankheiten, die jeweils zur Arbeitsunfähigkeit führen, angegeben werden und dadurch immer wieder erneut weitere 6-Wochen-Lohnfortzahlungszeiträume ausgelöst werden.

Bestreitet der Arbeitgeber Neuerkrankungen, so ist von Arbeitnehmerseite nachzuweisen, dass verschiedene Erkrankungen gegeben sind und ggf. die Vorerkrankungen ausgeheilt war. Hierzu kann es erforderlich sein, dass die Arbeitnehmerseite sämtliche betreffenden Angaben offenlegen und dafür gegebenenfalls auch Ärzte insoweit von ihrer Schweigepflicht entbinden muss, vgl. BAG vom 18.01.2023 – 5 AZR 93/22.

  1. Abgeltung für alles oder beschränkt auf den Mindesturlaub?

Dieser Fall betrifft zwar kein Arbeitsrecht, sondern Beamtenrecht. Dennoch wird damit deutlich, dass Arbeitgeber durch entsprechende vertragliche Gestaltung Einfluss auf den Umfang von möglichen Urlaubsabgeltungsansprüchen nehmen können.

In diesem Fall verlangte ein vorzeitig in den Ruhestand gehender Beamter die Abgeltung von Urlaub. Das Gericht beschränkte den Anspruch auf den gesetzlich geschützten Mindesturlaubsanspruch von 20 Tagen (bei 5-Tage-Arbeitswoche), vgl. Verwaltungsgericht Koblenz vom 09.05.2023 – 5 K 1088/22.KO.

  1. Zeitarbeit mit gleichem Lohnanspruch?

Zwar sieht das Gesetz eine Lohngleichheit nach dem Grundsatz equal Pay vor, doch lässt das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) eben zu, dass durch Tarifvertrag davon abgewichen werden kann und dies auch zum Nachteil der Arbeitnehmerseite. Dieser Möglichkeit stellte sich das Bundesarbeitsgericht nicht entgegen, vgl. BAG vom 01.05.2023 – 5 AZR 143/19.

Fachanwalt Sven Rasehorn berät in allen arbeitsrechtlichen Fragen und vertritt in allen arbeitsgerichtlichen Instanzen mit Erfahrungen bis zum Bundesarbeitsgericht.

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