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Allgemein Arbeitsrecht

Newsletter zum Arbeitsrecht Dezember 2025

  1. Bundesverfassungsgericht contra Bundesarbeitsgericht?

Hier klagte eine nicht der Kirche und damit konfessionslose Bewerberin. Diese klagte, weil sie nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen worden ist. Grund der Nichteinladung war die Vermutung der fehlenden Konfession. Grundsätzlich darf wegen der Glaubensausrichtung keine Diskriminierung erfolgen. Dem steht auf der anderen Seite das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen gegenüber. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes habe das Bundesarbeitsgericht dieses Selbstbestimmungsrecht nicht ausreichend berücksichtigt. Daraufhin hat das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung aufgehoben und die Sache an das Bundesarbeitsgericht zurückverwiesen, vgl. BVerfG vom 29.09.2025 – 2 BvR 934/19

  1. Tariflicher Mehrurlaub nach Mutterschutzzeit verfallen?

Arbeitgeber und Arbeitnehmerseite streiten nach der Rückkehr aus der Elternzeit darüber, ob tariflicher Mehrurlaub aus den vergangenen Jahren zustehen kann oder verfallen ist. Die Mitarbeiterin befand sich erst im Beschäftigungsverbot und anschließend im Mutterschutz. Den tariflichen Mehrurlaub wollte der Arbeitgeber nicht mehr gewähren und berief sich auf die tariflichen Ausschluss- und Verfallfristen. Das Landesarbeitsgericht urteilte, dass tarifliche Verfallsregelungen den Urlaub nicht ausschließen können, sofern gesetzliche Vorschriften dies durch § 24 Satz 2 MuSchG und § 17 Abs. 2 BEEG verhindern, vgl. LAG Hamm vom 11.09.2025 – 13 SLa 316/25.

  1. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit?

Problematisch bei der Vergütung an weibliche und männliche Mitarbeitende kann sein, inwieweit die Tätigkeiten gleichwertig sind. Hier war die Frage der geschlechtsbedingten Benachteiligung zu klären. Nach den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichtes kommt es weniger auf eine Vergleichsgruppe an. Für die zunächst gegebene Möglichkeit der Vermutung ist bereits ausreichend, wenn die beispielsweise weibliche Klägerseite eine Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts rügt und darlegt, dass von Arbeitgeberseite einem anderen männlichen Kollegen, der gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet, ein höheres Entgelt gezahlt wird, vgl. BAG vom 23.10.2025 – 8 AZR 300/24.

  1. Betriebsrente muss nicht an Kaufkraftverlust angepasst werden?

Was ist das Geld wert und was kann mit derselben Höhe an Geld später noch gekauft werden? Gerade in Bezug auf die spätere Rente und in Anbetracht von Preiserhöhungen könnte so die künftige Rente weniger an Wert haben. Müsste dann nicht eine Betriebsrente an den Kaufvertragsverlust angepasst werden? In dem Fall gab es einen gebündelten Anpassungsstichtag. Zu diesem Stichtag wurden die Betriebsrenten nicht an den Kaufkraft­verlust angepasst. Dies entsprach nach gerichtlicher Auffassung jedoch billigem Ermessen gemäß § 16 Abs. 1 BetrAVG, vgl. BAG vom 28.10.2025 – 3 AZR 24/25.

  1. Probezeit zu lang oder doch nicht?

Gemäß § 622 Abs. 3 BGB kann während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Fraglich ist, ob eine solche Probezeit immer sechs Monate begtragen darf oder aber kürzer vereinbart werden müsste, wenn das Arbeitsverhältnis vertraglich nur von kürzerer Dauer ist. Hintergrund ist die Regelung in § 15 Abs. 3 TzBfG, nach der eine Probezeit im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung der Tätigkeit stehen muss. Ist also nur eine kurze Dauer des Arbeitsvertrages vereinbart, kann sich eine Probezeit von sechs Monate als unwirksam darstellen. Dies hatte zuletzt das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 5.12.2024 (2 AZR 275/23) entschieden. Auf Basis dieser Rechtsprechung urteilte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit seiner Entscheidung vom 2.7.2024 (19 Sa 1150/23), dass in diesem Fall die Probezeitvereinbarung im Verhältnis zur Länge des Arbeitsvertrages unwirksam sei und ging dabei von einem entsprechenden Regelwert aus. Das Bundesarbeitsgericht hob diese Entscheidung auf und führte aus, dass es keinen Regelwert gäbe. Insoweit ist in jedem Einzelfall an einer entsprechenden Abwägung unter Berücksichtigung der zu erwartenden Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit auszugehen und anhand dessen die Zulässigkeit der Probezeit zu beurteilen, vgl. BAG vom 30.10.2025 – 2 AZR 160/24.

Fachanwalt Sven Rasehorn berät in allen arbeitsrechtlichen Fragen und vertritt in allen arbeitsgerichtlichen Instanzen mit Erfahrungen bis zum Bundesarbeitsgericht.

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Allgemein Arbeitsrecht

Newsletter zum Arbeitsrecht November 2025

1. Gilt die Unschuldsvermutung auch im Arbeitszeugnis?

Darf ein Arbeitgeber im Zeugnis den Verdacht einer Straftat erwähnen, obwohl es keine Verurteilung gibt? Nein – grundsätzlich nicht. Ein Zeugnis darf keine unbelegten Verdachtsmomente enthalten. Im konkreten Fall hatte jedoch ein Mitarbeiter des Jugendamts gegen die Erwähnung laufender Ermittlungen wegen des Verdachts auf Besitz kinderpornographischer Schriften geklagt. Das Arbeitsgericht Siegburg wies seine hiergegen gerichtete Klage ab, da der Schutz von Kindern in diesem sensiblen Arbeitsbereich überwiege, vgl. AG Siegburg vom 23.01.2025 – 5 Ca 1465/24.

2. Unterstützungsstreik – erlaubt oder verboten?

Problematisch war hier, dass Arbeitnehmende eines anderen Konzernunternehmens streikten, also für Ziele eines anderen Betriebes. Das Gericht bewertete diesen Unterstützungsstreik mit dem Ziel der gemeinsamen Antragstellung auf Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages als ein legitimes Ziel im Sinne der Koalitionsfreiheit, vgl. LAG Köln vom 10.07.2025 – 8 SLa 582/24.

3. Datenschutzpanne bei Bewerbungsdaten – gibt es Schadensersatz?

Fraglich war hier, inwieweit bei Weitergabe von Bewerbungsunterlagen an ein Fremdunternehmen eine Schaden tatsächlich eingetreten sein muss oder eine sog. Erheblichkeitsschwelle überschritten sein muss. Der EuGH stellte klar, dass schon negative Gefühle der betroffenen Person infolge einer unbefugten Datenweitergabe einen immateriellen Schaden darstellen können. Eine besondere Erheblichkeitsschwelle ist nicht erforderlich. Zudem bestehen Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch nebeneinander, vgl. EuGH vom 04.09.2025 – C-655/23.

4. Hinweisgeberstelle – immer mitbestimmungspflichtig?

Das Unternehmen wollte eine Hinweisgeberstelle nach der Whistleblower-Richtlinie einrichten, diese aber nicht intern im Betrieb,, sondern durch Beauftragung einer externen Firma. Durch die externe Beauftragung verweigerte der Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates. Das Gericht stellte klar, dass sowohl bei einer internen als auch bei einer extern beauftragten Meldestelle der Betriebsrat zu beteiligen ist. Das LAG Schleswig-Holstein untersagte daher dem Arbeitgeber, ohne Mitbestimmung des Betriebsrats eine Meldestelle einzurichten – selbst wenn diese extern betrieben wird, vgl. LAG Schleswig-Holstein vom 08.07.2025 – 2 TaBV 16/24.

5. Datenschutzverstoß führt zum Ausschluss aus dem Betriebsrat?

Ein Betriebsratsmitglied hatte vertrauliche Mitarbeiterdaten über seinen privaten E-Mail-Account weitergeleitet. Hiergegen wendete sich der Arbeitgeber. Das Hessische LAG entschied, dass ein solcher Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen gravierend genug ist, um den Ausschluss aus dem Betriebsrat zu rechtfertigen, vgl. Hessisches LAG vom 10.03.2025 – 16 TaBV 109/24.

6. Rückzahlung von Sonderzahlungen – wann ist das zulässig?

Regelmäßig werden Vereinbarungen geschlossen, auf Grundlage derer Arbeitnehmende erhaltene Sonderzahlungen zurückzahlen müssen, wen diese durch Eigenkündigung das Arbeitsverhältnis beenden. Dies ist möglich, aber nur, wenn eine wirksame vertragliche Regelung besteht. Im entschiedenen Fall war die Klausel zu pauschal und unterschied nicht nach Kündigungsgründen,  etwa Krankheit oder familiären Umständen. Die Rückzahlungspflicht war daher unwirksam, vgl.  BAG vom 02.07.2025 – 10 AZR 162/24.

7. Urlaubsabgeltung schon während des Kündigungsschutzverfahrens?

Die Arbeitsvertragsparteien streiten um die Wirksamkeit/Nichtwirksamkeit einer Kündigung. Während dieses Verfahren begehrt die Arbeitnehmerseite bereits die Urlaubsabgeltung. Diese setzt indes regelmäßig die Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraus, da andernfalls der Urlaub grundsätzlich in natura zu gewähren ist. Das Gericht entschied daher auch, dass solange das Arbeitsverhältnis noch nicht rechtskräftig beendet ist, kein Anspruch auf Urlaubsabgeltung besteht, vgl. LAG Baden-Württemberg vom 14.03.2025 – 9 Sa 4/25.

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Allgemein Arbeitsrecht

Newsletter zum Arbeitsrecht Oktober 2025

  1. Eltern pflegebedürftiger Kinder mit Diskriminierungsschutz?

Mitunter ist es problematisch für Eltern, die ein behindertes oder pflegebedürftiges Kind betreuen, die hierfür erforderlichen Zeiten in Einklang mit den Arbeitszeiten bringen zu können. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat hier einen erweiterten Diskriminierungsschutz erkannt und entschieden, dass dieser auch dann gilt, wenn die Eltern selbst nicht behindert sind. Damit sind Arbeitgeber gehalten, Arbeitsbedingungen entsprechend anzupassen, vgl. EuGH, Urteil vom 11.09.2025 – C-38/24.

  1. Arbeitszeugnis rückdatiert, weil zu spät erstellt?

Sofern Arbeitgeber Arbeitszeugnisse später ausstellen, stellt sich die Frage, ob das Zeugnis das Datum des Ausstellungszeitpunkts ausweisen darf oder das Datum des Ende des Arbeitsverhältnisses. Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Köln ist eine Rückdatierung nicht erforderlich, auch wenn das Zeugnis erst Wochen später ausgestellt wird, vgl. LAG Köln, Urteil vom 05.12.2024 – 6 SLa 25/24.

  1. Probezeitkündigung trotz Betriebsratsgründung?

In diesem Fall initiierte ein Mitarbeiter während der ersten 6 Beschäftigungsmonate und außerhalb der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes eine Betriebsratswahl. Während dieser Zeit erhielt er eine Kündigung. Der Mitarbeiter berief sich auf den besonderen Kündigungsschutz für Vorbereitungsmaßnahmen der Betriebsratswahl nach § 15 Abs. 3b Kündigungsschutzgesetz. Nach dem Urteil des Gerichts greift dieser Schutz aber erst für Mitarbeitende, die unter das Kündigungsschutzgesetz fallen, also länger als 6 Monate im Betrieb beschäftigt sind, vgl. LAG München, Urteil vom 20.08.2025 – 10 SLa 2/25.

  1. Vergütung für Betriebsräte nach unten korrigierbar?

Betriebsräte sollen nicht schlechter gestellt werden. Was ist, wenn Betriebsräte längere Zeit von der Arbeitspflicht freigestellt werden? Wie würde oder hätte sich ohne Vergütung entwickelt? Darf der Arbeitgeber den hypothetischen Verlauf berücksichtigen? Hier wollte der Arbeitgeber die Vergütung nachträglich verringern. Hiergegen wehrte sich der Betriebsrat. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes dürfen Betriebsratsmitglieder auf die Richtigkeit ihrer jahrelang gezahlten Vergütung vertrauen. Eine rückwirkende Kürzung ist nur zulässig, wenn der Arbeitgeber nachweist, dass die Vergütung objektiv fehlerhaft war, vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.03.2025 – 7 AZR 46/24.

  1. Belästigung führt zum Schmerzensgeld?

In diesem Fall hatte ein Geschäftsführer unter Ausnutzung seiner Stellung als Vorgesetzter einer Mitarbeiterin sexuell anhaftende Erklärungen übermittelt, insbesondere mit der Weisung zur Kleidung, was angezogen oder besser nicht getragen werden sollte. Das Arbeitsverhältnis endete, die Fortsetzung war der Mitarbeiterin nicht mehr zumutbar. Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung gegenüber der Mitarbeiterin und unter Berücksichtigung der Genugtuungsfunktion sprach das Gericht der Mitarbeiterin eine Abfindung in Höhe von 2 Bruttomonatsgehältern je Beschäftigungsjahr zu, vgl. LAG Köln, Urteil vom 09.07.2025 – 4 SLa 97/25.

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Allgemein Arbeitsrecht

Newsletter zum Arbeitsrecht September 2025

  1. Musiklehrer als Arbeitnehmer/innen?

Oft ist fraglich, ob Personen als selbstständig Tätige handeln oder im Rahmen der Weisungsgebundenheit und persönlicher Abhängigkeit ihre Tätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erfolgt. In dem Fall ging es um eine Beschäftigung einer Musiklehrerin. Diese war als freie Mitarbeiterin in einer Musikschule tätig und klagte gegen die Musikschule bzw. den dahinter stehenden Rechtsträger auf Feststellung, dass ihre Tätigkeit auf der Grundlage eines Arbeitsverhältnisses erfolgt. Das Arbeitsgericht Berlin stellte in diesem Fall jedoch mangels Weisungsgebundenheit kein Arbeitsverhältnis fest und wies die Klage der Musiklehrerin insoweit ab, vgl. ArbG Berlin vom 15.7.2025 – 22 Ca 10650/24.

  1. Betriebsrat beseitigt Abmahnung?

Hier hatte die Arbeitnehmerseite eine aus ihrer Sicht ungerechtfertigte Abmahnung erhalten und sich gegen diese beim Betriebsrat beschwert. Der Betriebsrat nahm die Beschwerde an und setzt sich mit der Arbeitgeberseite mit dem Ziel einer Einigung in Verbindung. Da eine Einigung scheiterte, versuchte der Betriebsrat diese über die Einberufung einer Einigungsstelle zu erzwingen. Das Gericht wies den Antrag auf Einsetzung einer Einigungsstelle zurück, da ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nicht gegeben war und die Arbeitnehmerseite die Beseitigung einer unberechtigten Abmahnung selbst durch individualrechtliche Klage beim Arbeitsgericht angreifen kann, vgl. LAG Berlin-Brandenburg vom 17.02.2025 – 10 TaBV 29/25.

  1. Konflikt führt zur Datenschutzauskunft?

Im Rahmen arbeitsrechtlicher und arbeitsgerichtlicher Auseinandersetzung kommt es mitunter auch zur Geltendmachung von danebenliegenden Ansprüchen. In dem Fall hatte die Arbeitnehmerseite Ansprüche auf Auskunft nach dem Datenschutzrecht gemäß Art. 15 DSGVO geltend gemacht. Das Arbeitsverhältnis dauerte bereits 25 Jahre, die Arbeitgeberseite erteilte Auskunft, aber die Arbeitnehmerseite hielt die erteilte Auskunft nicht zu 100 % umfassend und vollständig. Das Arbeitsgericht sah es vorliegend nicht als zumutbar und erforderlich an eine lückenlose Dokumentation sämtlicher Datenvorgänge für einen so langen Zeitraum gewährleisten zu müssen und lehnte im Rahmen dessen einen geltend gemachten Schadensersatzanspruch der Arbeitnehmerseite ab, vgl. ArbG Heilbronn vom 27.03.2025 – 8 Ca 123/24.

  1. Schwerbehinderter in den ersten 6 Monaten ohne Schutz?

Schwerbehinderte Menschen haben einen besonderen Schutz und sollen insoweit auch vor etwaigen Kündigungen geschützt werden. Vor diesem Hintergrund bedarf eine arbeitgeberseitige Kündigung zunächst der Zustimmung des Integrationsamtes. Der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz greift erst nach Ablauf von sechs Beschäftigungsmonaten, der sogenannten Wartezeit für die Geltung des persönlichen Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes. Nach der gerichtlichen Entscheidung bedarf die Arbeitgeberseite in diesen Fällen, nämlich vor Ablauf von sechs Beschäftigungsmonaten, vor Ausspruch einer ordentlichen Kündigung nicht der Durchführung eines Präventionsverfahrens, vgl. BAG vom 3.4.2025 – 2 AZR 178/24.

  1. Kirchlicher Tarifvertrag?

Kirchliche Einrichtungen betreiben unter anderem Krankenhäuser. In dem vorliegenden Fall war die Dienstgeberseite Mitglied eines diakonischen Werkes. Insoweit ist problematisch, inwieweit die Dienstgeberseite überhaupt tariffähig ist und einen Tarifvertrag abschließen kann. Diese Frage konnte vorliegend jedoch dahinstehen, soweit eine tarifliche Geltung im Arbeitsvertrag in Bezug genommen wird und insoweit Tarifverträge Inhalt des Arbeitsvertrages werden können und folglich auf arbeitsvertraglicher Ebene Geltung haben, vgl. BAG vom 31.7.2025 – 6 AZR 172/24.

  1. Zulagen für alle?

Nicht alle beschäftigten Mitarbeitenden arbeiten in Vollzeit. Sofern ein Tarifvertrag eine Zuschlagspflicht bestimmt, kann diese eine Ungleichbehandlung darstellen, wenn aufgrund der Regelungen tatsächlich nur Vollzeitbeschäftigte in einen solchen Genuss von Zulagen kommen und Teilzeitbeschäftigte damit faktisch ausgeschlossen sind. Im Ergebnis kam es zur Anpassung der Zuschlaggrenze im Hinblick auf den Umfang der Teilzeit, sodass auch Teilzeitbeschäftigten nach dieser Entscheidung entsprechende Ansprüche zustehen, vgl. LAG Berlin-Brandenburg vom 16.05.2025 – 12 Sa 1016/24.

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Allgemein Arbeitsrecht

Newsletter zum Arbeitsrecht August 2025

  1. Tätowierung führt zur Arbeitsunfähigkeit – Anspruch auf Lohnfortzahlung?

Die Arbeitnehmerseite ließ sich ein Tattoo stechen, das sich entzündete und eine Arbeitsunfähigkeit nach sich zog. Fraglich war, ob in einem solchen Fall ein Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 3 EFZG besteht.

Das Landesarbeitsgericht entschied, dass kein Anspruch besteht, da die Erkrankung selbstverschuldet war, vgl. LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 22.05.2025 – 5 Sa 284a/24.

  1. Muss der Betriebsrat über eine E-Mail-Adresse verfügen?

Angesichts zunehmender Digitalisierung stellte sich die Frage, ob ein Betriebsrat Anspruch auf eine eigene dienstliche E-Mail-Adresse hat.

Das Gericht bejahte diesen Anspruch – sofern eine solche Adresse für die ordnungsgemäße Ausübung des Amtes erforderlich ist, vgl. LAG Niedersachsen, Beschl. v. 25.04.2025 – 17 TaBV 62/24.

  1. Verzicht auf datenschutzrechtliche Auskunft – wirksam?

Ein datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch wurde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltend gemacht, nachdem in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis – unabhängig vom Rechtsgrund – ausgeschlossen worden waren.

Das Oberverwaltungsgericht entschied, dass der Vergleich auch den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch wirksam ausschloss, vgl. OVG Saarlouis, Urt. v. 13.05.2025 – 2 A 165/24.

  1. Weiterleitung dienstlicher E-Mail an private Adresse – Ausschluss aus dem Betriebsrat?

Ein Betriebsratsmitglied leitete eine dienstliche E-Mail mit sensiblen personenbezogenen Daten an die private E-Mail-Adresse weiter. Das Gericht sah hierin eine grobe Pflichtverletzung im Sinne des § 23 Abs. 1 BetrVG und bestätigte den Ausschluss aus dem Betriebsrat, vgl. Hessisches LAG, Beschl. v. 10.03.2025 – 16 TaBV 109/24.

  1. Ende der Befristung beendet auch das Betriebsratsmandat?

Betriebsratsmitglieder genießen besonderen Kündigungsschutz. Doch was gilt, wenn das Arbeitsverhältnis befristet ist?

Das Bundesarbeitsgericht stellte klar: Eine rechtmäßig vereinbarte Befristung nach dem TzBfG endet auch bei Betriebsratsmitgliedern regulär. Ein Anspruch auf Verlängerung oder Entfristung besteht nicht allein wegen des Betriebsratsamts, vgl. BAG, Urt. v. 18.06.2025 – 7 AZR 50/24.

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Allgemein Arbeitsrecht

Newsletter zum Arbeitsrecht Juli 2025

1.   Freie Bauarbeiter oder doch abhängig beschäftigt?

Immer wieder sind Personen als sogenannte „Werkunternehmer“ für auftraggebende Unternehmen tätig. Sofern jedoch im Kern eine wirtschaftliche Abhängigkeit vorliegt und die Tätigkeit im Wesentlichen für einen einzigen Auftraggeber ausgeübt wird, ist von einer echten Selbstständigkeit nicht auszugehen.

Im vorliegenden Fall arbeiteten Bauarbeiter für ein anderes Bauunternehmen zu einem festen Stundenlohn, ohne selbst am Markt unternehmerisch aufzutreten. Das Hessische Landessozialgericht erkannte trotz der vertraglichen Bezeichnung als „Selbstständige“ eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung – mit den entsprechenden Abgabepflichten, vgl. Hessisches LSG, Urt. v. 20.02.2025 – L 8 BA 4/22 und L 8 BA 64/21.

  1. Matrixstruktur führt zur mehrfachen Wahlmöglichkeit eines Betriebsrates?

In der modernen Arbeitswelt bestehen auch Konstruktionen wie sogenannte Matrixstrukturen. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass Mitarbeitende mehreren betrieblichen Einheiten zugeordnet sind – teils auch Führungskräfte.

In solchen Fällen hat die betroffene Arbeitnehmerseite in allen zugeordneten Betrieben aktives Wahlrecht bei der Wahl des jeweiligen Betriebsrats, vgl. BAG, Beschl. v. 22.05.2025 – 7 ABR 28/24.

  1. Google-Recherche vor Bewerbungsgespräch führt zur Entschädigung?

Ein Bewerber hatte sich auf eine ausgeschriebene Stelle beworben und wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Im Vorfeld hatte der Arbeitgeber den Namen des Bewerbers gegoogelt. Dabei stieß er auf ein nicht rechtskräftig abgeschlossenes Strafverfahren. Diese Information wurde im Gespräch nicht offengelegt.

Der Bewerber machte daraufhin einen Entschädigungsanspruch geltend – zu Recht. Das Gericht sprach ihm eine Entschädigung in Höhe von 1.000 Euro nach den Regelungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu, vgl. BAG, Urt. v. 05.06.2025 – 8 AZR 117/24.

  1. Probezeit bestanden – und trotzdem gekündigt?

Der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz greift erst nach sechs Monaten Beschäftigung – unabhängig von einer etwa vereinbarten Probezeit.

In diesem Fall gratulierte der Arbeitgeber der Arbeitnehmerseite noch zum „Bestehen der Probezeit“, sprach jedoch wenige Tage später die Kündigung aus – allerdings noch vor Ablauf der sechsmonatigen Wartefrist. Das Kündigungsschutzgesetz fand damit keine Anwendung.

Das Gericht beurteilte die Kündigung jedoch als treuwidrig und somit nach § 242 BGB als unwirksam – insbesondere wegen der widersprüchlichen Kommunikation des Arbeitgebers, vgl. LAG Düsseldorf, Urt. v. 14.01.2025 – 3 SLa 317/24.

  1. Krankmeldung führt zur Kündigung?

Eine etwa vorgeschobene Arbeitsunfähigkeit ohne medizinisch nachgewiesene Grundlage, mit der sich die Arbeitnehmerseite der Arbeitspflicht entziehen will, kann eine Kündigung rechtfertigen.

Was ist aber, wenn von Arbeitgeberseite auf eine ordnungsgemäße Krankmeldung mit einer Kündigung reagiert wird? Im entschiedenen Fall kündigte der Arbeitgeber nach einer Krankmeldung der Arbeitnehmerseite. Allein eine Krankmeldung stellt für sich genommen keinen Kündigungsgrund dar, auch kann eine solche Kündigung gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612a BGB verstoßen. Hierauf kommt es jedoch dann nicht an, wenn die Kündigung zusätzlich auf andere Gründe gestützt wird, vgl. Hessisches LAG, Urt. v. 28.03.2025 – 10 SLa 916/24.

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Allgemein Arbeitsrecht

Newsletter zum Arbeitsrecht Juni 2025

1. Arbeitszeitbetrug beendet den Arbeitsvertrag und wer trägt die Detektivkosten?

In dem Fall ging es nicht nur um die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, sondern auch um angefallene Detektivkosten, die vom Arbeitgeber gegenüber der Arbeitnehmerseite geltend gemacht wurden.

Die Arbeitszeit musste von der Arbeitnehmerseite über eine mobile App erfasst werden. Dabei fielen Unregelmäßigkeiten auf. Recherchen ergaben, dass private Termine während der Arbeitszeit wahrgenommen wurden – etwa ein Besuch im Fitnessstudio oder beim Friseur. Aufgrund dieser Auffälligkeiten wurde eine Detektei beauftragt, um stichprobenartig an einzelnen Tagen zu überprüfen, ob während der angegebenen Arbeitszeiten tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht wurden. Die Detektei konnte nachweisen, dass die Arbeitnehmerseite während der Arbeitszeit privaten Tätigkeiten nachging.

Die Aufdeckung dieses Arbeitszeitbetrugs rechtfertigte nicht nur die fristlose Kündigung, sondern verpflichtete die Arbeitnehmerseite auch zur Erstattung der angefallenen Detektivkosten in Höhe von 21.000 €, vgl. LAG Köln, Urteil vom 11.02.2025 – 7 Sa 635/23.

2. Beleidigung des Vorgesetzten beendet das Arbeitsverhältnis?

Beleidigungen wie „Lügner“ und „Betrüger“ stellen eine erhebliche Pflichtverletzung dar, insbesondere wenn diese Äußerungen gegenüber dem Vorgesetzten und im Beisein Dritter erfolgen. Das Gericht sah eine derartige Erklärung nicht vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt und erachtete die fristlose Kündigung – auch trotz langer Betriebszugehörigkeit – als wirksam, vgl. ArbG Hannover, Urteil vom 05.03.2025 – 8 Ca 309/24.

3. Softwaretest führt zum Entschädigungsanspruch?

Vor der Einführung einer neuen Software, insbesondere im Personalbereich, sollte ein Testlauf erfolgen. Grundlage hierfür war eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat. Im Rahmen dieses Tests wurden unternehmensintern arbeitgeberübergreifend Daten realer Mitarbeitender verwendet – nicht nur Name, Arbeitsort und Eintrittsdatum, sondern auch Wohnanschriften, Steuer-ID und weitere sensible Informationen.

Diese Datenverwendung war weder durch die Betriebsvereinbarung legitimiert, noch wurde sie auf den Arbeitgeber beschränkt. Damit wurde gegen datenschutzrechtliche Vorgaben verstoßen. Das Gericht stellte klar, dass auch eine Betriebsvereinbarung den Regelungen der DSGVO entsprechen muss. Im Ergebnis sprach das Bundesarbeitsgericht der Klägerseite – in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH – Schadensersatz zu, vgl. BAG, Urteil vom 08.05.2025 – 8 AZR 209/21.

4. Chefarzt wegen diskriminierender Äußerungen gekündigt?

Ein Chefarzt eines Krankenhauses soll Kolleginnen und Kollegen beleidigt und sich in Bezug auf arabischstämmige Ärzte dahingehend geäußert haben, dass man diese „schuften lassen“ könne und sie sich nicht beschweren würden. Aufgrund dieser und weiterer diskriminierender Äußerungen sprach die Arbeitgeberseite die Kündigung aus. Die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage wies das Gericht ab, vgl. ArbG Hamburg, Urteil vom 26.05.2025 – 3 Ca 168/24.

5. Vergleich und der Urlaub ist weg?

Im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs regeln die Parteien häufig sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis – hierzu zählt auch der Urlaub. Häufig ist streitig, wie viele Urlaubstage noch bestehen. Es kommt vor, dass im Vergleich geregelt wird, dass sämtliche Urlaubsansprüche „genommen und abgegolten“ seien.

Sofern tatsächlich noch Urlaubsansprüche bestehen, käme dies einem Verzicht gleich. Hinsichtlich der Wirksamkeit eines solchen Verzichts hat das Bundesarbeitsgericht jüngst klargestellt, dass auf Urlaubsansprüche – insbesondere den gesetzlichen Mindesturlaub – auch im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs nicht wirksam verzichtet werden kann, solange das Arbeitsverhältnis noch besteht. Dies gilt jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.

Folglich sind entsprechende Regelungen in gerichtlichen Vergleichen regelmäßig unwirksam, sofern das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Vergleichs noch fortbesteht. Macht die Arbeitnehmerseite trotz einer solchen Regelung später Urlaubsabgeltungsansprüche geltend, steht dem auch kein Rechtsmissbrauch entgegen. Der Arbeitnehmerseite steht daher ein Anspruch auf Abgeltung nicht verbrauchter Urlaubsansprüche weiterhin zu, vgl. BAG, Urteil vom 03.06.2025 – 9 AZR 104/24.

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Newsletter zum Arbeitsrecht Mai 2025

1. Kryptowährung als Sachbezug?

Strittig war, ob Zahlungen in einer „Kryptowährung“ überhaupt arbeitgeberseitig geleistet werden können. Denn gemäß § 107 Absatz 1 Gewerbeordnung handelt es sich dabei nicht um Geld im klassischen Sinne. Allerdings lässt die gesetzliche Regelung auch Sachbezüge zu. Sofern eine solche Leistung arbeitsvertraglich vereinbart ist und sie im Interesse der Arbeitnehmer liegt, kann die Übertragung einer Kryptowährung als zulässiger Sachbezug angesehen werden, vgl. BAG, Urt. v. 16.04.2025 – 10 AZR 80/24.

2. Akten- und Personalverwaltung durch Dritte als Datenschutzverstoß?

In diesem Fall hatte der Bund die Verwaltung der Personalakten auf Dritte übertragen. Die Klägerin hatte diesen Vorgang wiederholt beanstandet, ohne dass es zunächst zu einer Änderung der Praxis kam. Erst nach Einschaltung des Bundesdatenschutzbeauftragten wurde das Vorgehen korrigiert. Die Klägerin machte daraufhin Schadensersatzansprüche geltend. Der Bundesgerichtshof sah den Schaden bereits dadurch als gegeben an, dass durch die Übertragung der Personalakten an Dritte ein vorübergehender Kontrollverlust über ihre Daten eingetreten war. Damit erkannte der BGH im Grundsatz einen Schadensersatzanspruch wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO an, vgl. BGH vom 11.02.2025 – VI ZR 365/22.

In einem anderen Fall hatte das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 20.02.2025 demgegenüber klargestellt, dass über einen relevanten Verstoß gegen die Regelungen der DSGVO ein tatsächlicher Schaden eingetreten sein muss, der auf dem Verstoß beruht, vgl. BAG 8 AZR 61/24.

3. Kündigungsschutz auch für Geschäftsführer?

Problematisch ist die Frage, inwieweit ein Geschäftsführer einer GmbH gegen seine Kündigung vor dem Arbeitsgericht vorgehen kann. Nach Auffassung des Gerichts hängt dies maßgeblich davon ab, ob der Geschäftsführer zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits abberufen war und seine Organstellung zu diesem Zeitpunkt bereits verloren hatte, vgl. LAG Hessen vom 28.02.2025 – 14 SLa 578/24.

4. Hund am Arbeitsplatz als betriebliche Übung?

Über einen gewissen Zeitraum hatte die Arbeitgeberseite die Mitnahme eines Hundes durch die Arbeitnehmerseite geduldet. Nachdem dies nicht mehr gewünscht war, versuchte die Arbeitnehmerin, per einstweiliger Verfügung das Mitbringen ihres Hundes weiterhin durchzusetzen. Das Gericht bewertete die vorherige Duldung jedoch nicht als betriebliche Übung. Die Arbeitnehmerin konnte daher keinen Anspruch auf die Mitnahme ihres Hundes geltend machen, vgl. LAG Düsseldorf vom 08.04.2025 – 8 GLa 5/25.

5. Homeoffice kann örtlichen Gerichtsstand begründen?

Grundsätzlich richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Sitz der Arbeitgeberseite, also der regelmäßigen Arbeitsstätte. Wenn die Arbeitnehmerseite jedoch dauerhaft an einem anderen Ort tätig ist, dort Weisungen empfängt und ihre Arbeitsleistung erbringt, kann der sogenannte Erfüllungsort maßgeblich sein. Bei ausschließlicher oder überwiegender Tätigkeit im Homeoffice kann sich die örtliche Zuständigkeit daher auch nach dem Wohnort der Arbeitnehmerseite richten, vgl. ArbG Gera vom 06.03.2025 – 4 Ca 131/25.

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Newsletter zum Arbeitsrecht April 2025

1. Verfall von Aktienoptionen nach Eigenkündigung?
Einige Arbeitgeber gewähren ihren Mitarbeitenden Aktienoptionen, die oftmals als virtuelle Beteiligungsoptionen ausgestaltet sind. Diese führen zu Zahlungsansprüchen der Arbeitnehmerseite gegenüber dem Arbeitgeber. Nach den zugrunde liegenden Vereinbarungen verfallen diese Ansprüche jedoch häufig, wenn das Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung endet. Das Bundesarbeitsgericht hat solche Verfallklauseln jüngst für unwirksam erklärt. Es beanstandete die Klauseln an dem Maßstab der Inhaltskontrolle nach den Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB). Der Zahlungsanspruch blieb daher trotz Eigenkündigung bestehen, vgl. BAG, Urteil vom 19.03.2025 – 10 AZR 67/24.

2. Kündigungszugang per Einwurf-Einschreiben?
Die Frage des Zugangs einer Kündigung ist regelmäßig streitentscheidend. Sie kann insbesondere für die Berechnung der Kündigungsfrist oder für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nach sechsmonatiger Beschäftigungsdauer maßgeblich sein. Kündigungen werden häufig per Einschreiben oder Einwurf-Einschreiben übermittelt. Bestreitet der Kündigungsempfänger jedoch den Zugang, reicht ein Einwurf-Einschreiben selbst in Verbindung mit einem Einlieferungsbeleg nicht aus, um den Zugang der Kündigung rechtssicher nachzuweisen, vgl. BAG, Urteil vom 30.01.2025 – 2 AZR 68/24.

3. Kündigung bei unbemerkter Schwangerschaft?
Rechtlich problematisch war bislang der Fall, in dem eine Kündigung zugeht, obwohl die betroffene Frau ihre Schwangerschaft zu diesem Zeitpunkt selbst noch nicht kennt oder eine ärztliche Bestätigung noch nicht vorliegt. Wird die Schwangerschaft erst nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist festgestellt und ärztlich bestätigt, dass sie bereits im Zeitpunkt des Kündigungszugangs bestand, ist eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage möglich. Das Bundesarbeitsgericht hielt die Kündigung daher für unwirksam, vgl. BAG, Urteil vom 03.04.2025 – 2 AZR 156/24.

Fachanwalt Sven Rasehorn berät in allen arbeitsrechtlichen Fragen und vertritt in allen arbeitsgerichtlichen Instanzen mit Erfahrungen bis zum Bundesarbeitsgericht.

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Rechtsanwalt Sven Rasehorn zählte für die Redaktion des Magazins Focus auf Basis
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Familien und Erbrecht

Das Nachlassinsolvenzverfahren

Das Nachlassinsolvenzverfahren ist DIE Lösung zu Auseinandersetzung zerstrittener Erbengemeinschaften oder für den Fall, dass nicht alle Mit-Erben bekannt sind oder erreicht werden können.

Aber auch Pflichtteilsansprüche können auf diesem Weg effektiv durchgesetzt werden.

Insolvenz? Das klingt immer merkwürdig.

Mit einer Insolvenz möchte man doch nicht nichts zu tun haben. Oder doch?

Stellen Sie sich den folgenden Fall vor:

Vater und Sohn sind zu gleichen Teilen Erben eines wertvollen Hausgrundstücks nach der verstorbenen Mutter.

Der Vater errichtet ein Testament, womit er einen Dritten (E) zum Alleinerben bestimmt. Der Sohn (S) ist dadurch enterbt.

Der Vater hinterlässt kein nennenswertes finanzielles Vermögen.

Der Sohn möchte nun mit dem Erben des Vaters eine Verständigung zur Immobilie herbeiführen. Am besten soll E ihm seinen Anteil abkaufen oder die Immobilie soll freihändig verkauft und der Erlös geteilt werden.

Zugleich macht S dem E gegenüber seinen Pflichtteil geltend, den er ist ja enterbt.

E aber mauert. Er erteilt weder Auskünfte noch ist er überhaupt zur Mitwirkung bereit. Er lehnt jede Einigung ab, möchte den S mürbe machen.

S lässt sich anwaltlich beraten und beantragt die Nachlassinsolvenz.

Die Nachlassinsolvenz ist im BGB in den §§ 1978 ff. geregelt. Voraussetzung ist wie im herkömmlichen Insolvenzverfahren die Überschuldung des Nachlasses oder die Zahlungsunfähigkeit des Erben. Die Verfahrensvorschriften richten sich auch hier nach der InsO.

Antragsteller kann jeder Erbe (Alleinerbe, Miterbe, Vorerbe, Nacherbe und Erbeserbe) oder Nachlassgläubiger sein.

Zu unserem Fall:

Ein Fall der Überschuldung des Nachlasses ist hier nicht gegeben. Die Immobilie ist so werthaltig, dass sämtliche Nachlassverbindlichkeiten gedeckt würden.

Allerdings ist der zum Alleinerben des Vaters bestimmte E zahlungsunfähig. Im Nachlass befinden sich nicht genügend finanzielle Mittel, um den erheblichen Pflichtteilsanspruch des enterbten S zu erfüllen.

Was passiert nun:

Der Insolvenzverwalter wird nun die Immobilie verwerten, d. h. meistbietend veräußern und vom Erlös die entstehenden Verfahrenskosten und den Pflichtteilsanspruch des S als Nachlassverbindlichkeit bezahlen.

Die aus dem Erlös verbleibenden Mittel werden zwischen E und S verteilt.

S muss sich nicht etwa ewig mit E auseinandersetzen, weder die gemeinsame Immobilie betreffend, noch zur Erfüllung seines Pflichtteils. All das wird durch den Insolvenzverwalter erledigt.

Es kommt sogar noch besser: Die Kosten des Insolvenzverfahrens trägt E als Schuldner aus seinem Masseanteil, denn Kosten dürfen nicht dazu führen, dass der Pflichtteilsanspruch des S als Anspruch auf Mindestteilhabe am Nachlass geschmälert wird.

Die Nachlassinsolvenz ist auch ein vortreffliches Mittel, wenn es darum geht, zerstrittene Erbengemeinschaften an einer Immobilie auseinanderzusetzen. Natürlich muss auch hier ein Insolvenzgrund gegeben sein. Häufig ist es so, dass die Immobilie über die Zeit hohe Kosten verursacht, jedoch kein liquider finanzieller Nachlass (mehr) vorhanden ist. Wobei häufig ein bei Behörden und Institutionen bekannter Miterbe ständig auf Zahlung in Anspruch genommen wird.

Riedel
Rechtsanwalt